04.09.2024

Bürokratie bremst Wohnungsneubau und Sanierung – Novelle der Hessischen Bauordnung längst überfällig

Verbändebündnis "Impulse für den Wohnungsbau" seit zehn Jahren aktiv

Seit zehn Jahren setzt sich die Initiative „Impulse für den Wohnungsbau – HESSEN“ für mehr Wohnungen und bessere Rahmenbedingungen für die Bau- und Immobilienwirtschaft in Hessen ein. Das Jubiläumsjahr der Initiative falle in eine herausfordernde Zeit für die Branche, so Impulse-Sprecher Gerald Lipka:

„Die Menschen in Hessen benötigen dringend mehr bezahlbaren Wohnraum. Die Zahlen der Baugenehmigungen gehen in besorgniserregendem Maße zurück. Damit eine Trendumkehr gelingt, muss die Landesregierung ihrer Rolle gerecht werden und sowohl bei Bestandsgebäuden als auch im Neubau deutlich mehr Engagement zeigen. Wir müssen endlich die Kosten senken und das Bauen insgesamt einfacher und schneller machen.“ Diese Ziele könne das Land Hessen nicht allein bewältigen – hierbei sei ein gutes Zusammenwirken von Bund, Land und Kommunen nötig, fordern die in der Initiative zusammengeschlossenen Verbände.

Land Hessen sollte Buschmann-Initiative zu Gebäudetyp E unterstützen
Die Landesregierung um Ministerpräsident Boris Rhein stehe in der Pflicht, sich im Bundesrat stärker zu positionieren, fordert Impulse-Sprecher Gerald Lipka, zugleich Geschäftsführer des BFW Landesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Hessen / Rheinland-Pfalz / Saarland. Die Gesetzesinitiative von Bundesjustizminister Marco Buschmann zum Gebäudetyp E gehe in die richtige Richtung, so Lipka. „Wir können uns in der aktuellen Krise keine Komfort-Bauvorschriften mehr leisten. Kern der geplanten Reform des BGB ist, eine Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik einfacher zu ermöglichen, ohne dass hierdurch sicherheitsrelevante Bereiche des Bauens betroffen wären. Mit der Reform ließe sich der Vorschriftendschungel auf einen Schlag um tausende von Normen lichten und wir könnten schneller und kostengünstiger bauen. Dies ist auch im Interesse von Verbrauchern in Hessen, die nicht die höchsten technischen Standards wünschen, sondern bezahlbaren Wohnraum suchen!“

HBO-Novelle zügig umsetzen, damit mehr Wohnungen gebaut werden können
Neben dem Einsatz auf Bundesebene könne das Land Hessen auch selbst viel tun, um das Bauen zu vereinfachen und zu beschleunigen, erklärt Dr. Axel Tausendpfund, Vorstand des Verbands der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft (VdW südwest) und stellvertretender Sprecher der Initiative: „Der Weg von der Planung bis zur fertigen Wohnung ist oft zermürbend: zu lang, zu mühsam und zu teuer. Eine Reform der Hessischen Bauordnung (HBO) kann zwar nicht alle Probleme lösen, ist aber ein wichtiger Baustein. Ein großer Hebel liegt vor allem bei den Vorschriften zur Aufstockung von Gebäuden und zum Dachgeschossausbau. Es könnten viele neue Wohnungen entstehen, wenn die aktuellen Anforderungen an den Lärm- und Brandschutz sowie an die Barrierearmut nicht für das Bestandsgebäude gelten. Denn wenn dort umgebaut werden muss, ist das oft so teuer, dass von den Vorhaben Abstand genommen wird. Für den neuen Gebäudeteil sollten darüber hinaus nur die aktuellen Anforderungen an Brandschutz und Statik gelten. So kann mit einigen Änderungen beides vereinbart werden: gute und sichere Gebäude und die schnelle und unbürokratische Schaffung von bezahlbaren Wohnungen.

Hohe Stellplatznachweise der Kommunen nicht mehr zeitgemäß
Tobias Rösinger, Vorstandsmitglied der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen, plädiert ebenfalls für einen zügigen Abschluss der begonnenen HBO-Novelle. Die in der Kommission „Innovation im Bau“ gesammelten Vorschläge der Praxis müssten zügig geltendes Recht werden. Bei nachträglichen Ertüchtigungen oder geringfügigen Erweiterungen von Bestandsgebäuden müssten Anforderungen an Schall- und Brandschutz auf Neubaustandard hinterfragt werden. Handlungsbedarf sieht er auch bei kommunalen Satzungen, vor allem bei den Anforderungen an Stellplatznachweise. „Moderne Mobilitäts- und Parkraumbewirtschaftungskonzepte, die im Maßstab des Quartiers von den Kommunen erlassen werden, sollten das starre Festhalten an Stellplätzen je Wohneinheiten überwinden. Wohnen ist wichtiger als Parken am Haus oder gar in der Tiefgarage. Die Landesbauordnung muss deshalb Ermächtigungen zum Erlass von kommunalem Satzungsrecht künftig deutlich restriktiver gestalten und Kommunen auferlegen, eine detaillierte Folgekostenbetrachtung vor Erlass von Baukosten treibendem Satzungsrecht anzustellen.“

Hessen muss abspecken: VVTB so umfangreich wie in keinem anderen Bundesland
Andreas Ostermann, Koordinator der Impulse und Vorsitzender des BDB-Bund Deutscher Baumeister Architekten und Ingenieure Hessen Frankfurt, kritisiert einen weiteren Aspekt im Rahmen der Bauordnung: „Mit über 580 Seiten hat Hessen die umfangreichste Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VVTB) in der Republik. Insbesondere die 14 hessischen Anhänge blähen das Regelwerk unnötig auf. Zudem führen die vielen statischen Verweise auf speziell hessische Richtlinien und Verordnungen dazu, dass bei jeder Änderung auch die VVTB in Hessen wieder als Ganzes geändert werden muss. Andere Bundesländer lösen das besser. Brandenburg kommt beispielsweise in einer zweiseitigen ministeriellen Bekanntmachung mit dem Verweis auf die Muster-VVTB und nur fünf (!) landesspezifischen Anpassungen aus. Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise verweist dynamisch auf die Muster-VVTB des Deutschen Instituts für Bautechnik und erspart sich somit grundsätzlich immer wieder neue Erlasse. Diese Praxis empfehlen wir auch für Hessen.“

Mittelständische Bauunternehmen für mehr Augenmaß statt sinnloser Bürokratie
Auch aus Sicht des Bauindustrieverbands Hessen-Thüringen legten die Vorschriften Bauwilligen in Hessen überflüssige Fesseln an, so Hauptgeschäftsführer Dr. Burkhardt Siebert. „Deutschland baut die dicksten Geschossdecken in ganz Europa, das löst unnötige Kosten aus und ist im Übrigen auch nicht nachhaltig.“ Doch nicht nur der Wohnungsbau leide unter Bürokratie: „Wenn ein Baugerät wie ein Bagger von Fulda nach Frankfurt oder von Offenbach nach Wiesbaden befördert werden soll, bedarf es dazu einer Transportgenehmigung. Seit mehreren Jahren werden die diesbezüglichen Vorschriften zum Nachteil der hessischen Wirtschaft verändert. Das Genehmigungssystem ist hierdurch immer komplizierter, umfangreicher und auch teurer geworden. Nicht selten umfassen solche Transportgenehmigungen mehr als 70 Seiten mit Angaben zur Route und zu Auflagen. Das alles treibt die Baukosten unnötig in die Höhe. Wir müssen schnellstens Augenmaß und Vernunft walten lassen, wollen wir die dringend erforderliche Kehrtwende für unsere Wirtschaft schaffen.“

Vorbildfunktion der öffentlichen Hand: Einsatz von Recyclingbaustoffen vereinfachen
Thomas Reimann, Präsident des Verbands baugewerblicher Unternehmer Hessen e.V., fordert von der öffentlichen Hand eine Gleichstellung von Recycling- und Primär-Baustoffen in öffentlichen Ausschreibungen. „Die Bauwirtschaft ist ein ressourcenintensiver Wirtschaftsbereich, dies lässt sich mittelfristig kaum ändern. Es gibt bereits zahlreiche Recyclingprodukte auf dem Markt, die den Materialien aus Primärrohstoffen in bau- und umwelt-technischen Qualitäten gleich sind.“ Die Verwendung von Recyclingmaterial werde jedoch oftmals durch die Formulierung der ausschreibenden Stelle schon direkt ausgeschlossen. Sein Vorschlag lautet daher: „Die Zulassung von recycelten Materialien bei öffentlichen Ausschreibungen hat die Regel zu sein. Die öffentliche Hand kann mit ihrer Marktmacht einen wesentlichen Beitrag zum Umwelt- und Ressourcenschutz leisten und damit ihrer Vorbildfunktion gerecht werden und Vorreiter für nachhaltiges Bauen werden“.

Weniger regulieren, mehr bauen: Das Wohnen darf nicht zum Luxusgut werden
Für den Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie fordert Michael Strauch eine Abkehr von der bisherigen Regulierungswut. „Allein die Planungs- und Gutachterkosten für einen Rückbau haben sich durch die Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdreifacht. Auch die Kosten für die ordnungsgemäße Entsorgung von Bodenaushub haben sich seit 2014 mehr als verdoppelt.“ Die Niederschlags-Entwässerung von Neubauvorhaben in Frankfurt sei mittlerweile ebenfalls zu einer Wissenschaft geworden. „Allein die Planungskosten für ein Entwässerungsgesuch haben sich innerhalb der letzten Jahre vervielfacht – von den Kosten der Ausführung ganz zu schweigen. So darf es nicht weitergehen. Sonst wird Bauen zum Luxusgut, das nur noch sehr wenigen Menschen in unserer Gesellschaft vorbehalten bleibt.“

Pressekontakt

Jan Voosen
Abteilungsleiter Kommunikation, Pressesprecher

Tel. 069 - 97065-301

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